Kaninchen gehören nicht zu den Nagetieren, sondern zusammen mit den verschiedenen Hasenarten zu den "Hasenartigen", den Lagomorpha. Sie stehen als eigenständige Ordnung neben den Nagetieren und vielen anderen in der Klasse der Säugetiere. Trotzdem ist ihre Lebensweise in vielen Aspekten derjenigen der Nagetiere sehr ähnlich.

Alle unsere Kaninchenrassen sind aus dem europäischen Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) hervorgegangen, das ursprünglich nur in Spanien beheimatet war. Kaninchen gehören zu den jüngsten Haustieren, denn bewusst gezüchtet wird mit ihnen erst seit etwa 500 Jahren. Um so erstaunlicher ist es, dass sich bei den Hauskaninchen in der relativ kurzen Zeit so viele unterschiedliche Rassen züchten ließen, die sich nicht nur in Farbe und Beschaffenheit des Felles stark unterscheiden, sondern auch in Körpergewicht und -größe. Die Spannbreite reicht von unter einem bis über 7 kg und kommt damit fast an die Verhältnisse beim Hund heran, ganz anders als z. B. bei Katze oder Meerschweinchen.

Körperbau
Kaninchen haben einen kleinen Kopf mit einer Hasenscharte und den arttypischen langen Ohren (Löffel), die je nach Rasse aufrecht stehen oder hängen. Bei manchen Rassen (Englische Widder) sind die hängenden Löffel mit mehr als 60 cm so lang, dass sie den Tieren Probleme in der Bewegung bereiten und ein erhöhtes Verletzungsrisiko bergen. Es bleibt zu diskutieren, ob Haltung und Zucht dieser Rassen mit dem Tierschutzgesetz vereinbar sind.

Die Tiere haben große Augen und einen schlanken Hals. Auffällig sind die starken, sehr langen Hinterbeine, die den Kaninchen die hasenartige Fortbewegung durch Hoppeln oder Springen ermöglichen. Sie sind ausgesprochen stark bemuskelt und sehr sprunggewaltig. An den Vorderpfoten haben Kaninchen 5, an den Hinterpfoten 4 Zehen mit Krallen.

Wildkaninchen haben ein Körpergewicht zwischen 1,5 und 2 kg. Ihr Fell ist von graubrauner Farbe und besteht aus Grannen- oder Deck- und Wollhaaren.

Wildkaninchen

Aus dem Wildkaninchen sind durch intensive Zuchtwahl eine Reihe von Rassen hervorgegangen, die sich vor allem durch ihr Körpergewicht und die Eigenschaften ihres Felles unterscheiden.

Englischer Widder, 4,25 - 5,25 kg
Deutscher Riese, 5,5 - 7 kg
Hasenkaninchen, 3,4 - 5 kg
Japaner, 3,4 - 5 kg
Angorakaninchen, 3,4 - 5 kg
Falbzwerg, 1 kg

Verdauungsapparat
Obwohl keine Nagetiere, besitzen Kaninchen doch Nagezähne und zwar je 2 in jedem Kiefer, im Oberkiefer zusätzlich noch zwei kleinere dahinter, die Stiftzähne. Die Nagezähne sind nur auf der Vorderseite mit Zahnschmelz überzogen, schleifen sich also vorne weniger ab als im hinteren Bereich. Dadurch bleiben sie immer messerscharf. Nicht nur die Nagezähne, sondern auch die Backenzähne wachsen lebenslang weiter, damit die Zerkleinerung des überwiegend faserigen Futters gewährleistet bleibt. Eckzähne sind nicht ausgebildet. Die Zähne müssen fortwährend durch Nagen abgenutzt werden, damit sie nicht zu lang auswachsen und dann das Fressen behindern oder unmöglich machen. Das heißt, die Tiere benötigen ständig hartes Futter, insbesondere Rauhfutter wie Heu.

Der Darm des Kaninchens ist je nach Größe des Tieres 4 bis 6,5 m lang, das Futter benötigt bis zu 6 Tagen, um den Magen-Darm-Trakt zu durchlaufen. Auffällig ist der große Blinddarm, der von einer vielgestaltigen Bakterien- und Einzellerflora besiedelt wird. Diese Mikroorganismen helfen dem Kaninchen bei dem Aufschließen der faserigen, schwer verdaulichen Pflanzennahrung. Die Mikroorganismen sind zum Teil empfindlich gegen bestimmte Antibiotika. Wenn diese Wirkstoffe beim Kaninchen eingesetzt werden, kommt es zu einem Absterben eines Teils der Mikroorganismen und zu einer übermäßigen Vermehrung der übrigen. Dadurch gerät die Verdauung der Tiere durcheinander und es kommt zu schweren Erkrankungen, unter Umständen auch zu Todesfällen. Daher dürfen niemals Antibiotika, die von Hund oder Katze übriggeblieben sind, ohne Rücksprache mit dem Tierarzt beim Kaninchen eingesetzt werden!

Kaninchen bilden zwei Arten von Kot: Der normale Dickdarmkot wird in Form von runden Pillen ausgeschieden, der Blinddarmkot dagegen wird direkt vom After wieder aufgenommen. Er ist weicher als der Dickdarmkot und enthält reichlich B-Vitamine, die von den im Blinddarm lebenden Bakterien gebildet werden. Auf diese Weise versorgt sich das Kaninchen selbst mit B-Vitaminen.

Haltung
Für die Haltung von Kaninchen als Heimtiere kommen in erster Linie Tiere der Zwergrassen in Frage, aber man sieht auch immer wieder größere bis große Tiere in Privathand. Für die Tiere werden im Zoofachhandel Käfige angeboten, die sich recht gut für die Haltung einzelner Tiere eignen. Die Größe sollte 120 x 60 x 50 cm für ein Tier kleiner Rassen nicht unterschreiten, für jedes weitere Tier sollte mindestens ein Drittel an Grundfläche hinzukommen. Als Grundregel kann gelten, dass die Tiere im Käfig 2 bis 3 Hoppelsprünge machen können sollten. Eine zweite Etage ist wünschenswert, um den Tieren mehr Bewegungsraum zu geben. Zusätzlich benötigt jedes einzelne Tier eine Rückzugsmöglichkeit, also ein Haus oder ähnliches, in dem es auch wirklich sicher ist vor den Attacken anderer Tiere.

Der Kaninchenkäfig sollte in einem Raum stehen, in dem die Tiere tagsüber ihre Ruhe haben, also nicht im Kinder- oder Wohnzimmer. Als Einstreu eignen sich Sägespäne mit einer dicken Abdeckung aus Heu. Zusätzlich sollte den Tieren täglicher Auslauf im Zimmer gewährt werden. Dabei darf man Kaninchen nicht unbeobachtet lassen, denn die Tiere nagen alles an, auch Elektrokabel. In freier Wildbahn legen Kaninchen täglich viele Kilometer bei der Futtersuche zurück, sind also ausgesprochene Lauftiere. Wenn ihnen diese Bewegung in Menschenobhut nicht geboten wird, neigen sie dazu, träge zu werden und zu verfetten, was die Lebenserwartung erheblich herabsetzen kann.

Im Sommer kann man Kaninchen auch im oben geschlossenen Freigehege auf dem Rasen halten. Pro Tier wird eine Grundfläche von mindestens 1,5 m² benötigt. Die Kotecke sollte täglich gereinigt werden, damit es nicht zu einer Fliegenplage kommen kann, denn die Fliegen legen ihre Eier gerne auf die Analregion der Kaninchen, wenn diese einmal durch Durchfall verschmutzt sein sollte. Die schlüpfenden Maden ernähren sich dann vom Körpergewebe der Kaninchen, nachdem sie ein örtliches Betäubungsmittel abgegeben haben, so dass die Kaninchen davon nicht einmal etwas merken. Bei starkem Befall wirkt dieses Betäubungsmittel giftig und schädigt den Organismus der Kaninchen so sehr, dass häufig nur noch das Einschläfern bleibt.

Außerdem benötigen die Tiere ein Schutzhaus, in das sie sich vor Regen, Sonne oder Sturm zurückziehen können. Nachts und im Winter müssen Zwergkaninchen im Haus gehalten werden, andere Rassen können auch im Stall oder in der Garage untergebracht werden.

Kaninchen sind dämmerungsaktiv und eignen sich daher nicht besonders gut als Kuscheltiere für kleinere Kinder, außerdem sind die Tiere nervös und recht wehrhaft und können unangenehme Kratzverletzungen verursachen. Das bedeutet, dass Kaninchen, wenn überhaupt, nur für ältere Kinder geeignet sind und über Tage immer ihre Ruhe benötigen, also erst abends bereit sind für Kontakte mit ihrem Betreuer. Die Tiere werden, wenn sie artgerecht gehalten werden, schnell zahm und erkennen "ihren Menschen" schon von weitem am Schritt oder an der Stimme und laufen ihm dann auf Schritt und Tritt hinterher.

In der Wildbahn leben Kaninchen in Gruppen von vier bis 20 Tieren, die aus Weibchen mit ihrem Nachwuchs und einem einzigen Männchen bestehen. Daher sollte man die Tiere möglichst nicht einzeln halten. Als Haustiere können mehrere Weibchen problemlos miteinander vergesellschaftet werden. Zu dieser Weibchengruppe kann ein Männchen gesetzt werden, das kastriert sein sollte, wenn man nicht züchten will. Mehrere unkastrierte Männchen können nicht gemeinsam gehalten werden, da sie sich bei Rangordnungskämpfen schwere Verletzungen zufügen würden. Als Partnerersatz kann im Notfall auch ein Meerschweinchen geeignet sein, aber dieses bleibt immer die zweite Wahl.

Hochgehoben wird ein Kaninchen am Nackenfell, wobei das Hinterende mit der freien Hand unterstützt wird. Für längere Transporte setzt man sich das Tier auf den Unterarm, mit dem Kopf des Tieres in der Ellenbogenbeuge, und fixiert den Körper mit der freien Hand.

Hochheben am Nackenfell
Tragen auf dem Unterarm

Fütterung
Ursprünglich sind Kaninchen anspruchslose Gras- und Kräuterfresser, die ohne Kraftfutter (Körner oder Knabberstangen usw.) oder tierisches Eiweiß auskommen können. Daher sollte die Nahrungsgrundlage aus gutem Heu oder Gras bestehen, das aus einer Raufe gefüttert wird, um Verunreinigungen zu vermeiden. Dies Grundfutter wird durch Kräuter wie Klee, Löwenzahn, Huflattich, Wegerich und andere ergänzt, im Winter werden Apfel, Birne, Möhren und anderes Obst oder Gemüse zugefüttert. Kraftfutter (Körnerfutter) sollte nur in kleinen Mengen gegeben werden, ein bis höchstens zwei Teel. am Tag, da die Tiere sonst zu viel Energie erhalten und zu fett werden.

Gefährlich ist eine alleinige Fütterung mit nährstoffarmem Grünfutter wie Salat. Dabei drohen die Tiere trotz reichlicher Futteraufnahme zu verhungern. Grünfutter verdirbt nach kurzer Zeit, sollte also mindestens einmal täglich erneuert werden, neue Futtermittel sollten langsam eingeführt werden, damit die Darmflora genügend Zeit hat, sich daran zu gewöhnen. Anderenfalls kann es zu Gärungsprozessen mit Blähungen und Durchfall kommen.

Frisches Wasser sollte ständig bereitstehen, am besten in einer Tränkeflasche für Heimtiere. Außerdem ist es sinnvoll, einen Salzleckstein anzubieten, um die Versorgung mit Mineralien sicherzustellen. Gefüttert wird zwei- bis dreimal täglich, wobei die größte Portion am Abend gegeben wird, denn Kaninchen sind nun einmal Dämmerungstiere.

Käufliche Zusatzfutter oder "Leckerli" wie Joghurtdrops o. ä. sind nicht zu empfehlen, da sie zu viele Kalorien und Fett enthalten, der Darmflora schaden und unter Umständen zu lebensbedrohlichen Blasensteinen führen können.

Fortpflanzung
Kaninchen werden mit etwa 8 Wochen geschlechtsreif, die Tiere sollten aber erst mit 6 Monaten zur Zucht eingesetzt werden. Die weiblichen Tiere haben im Gegensatz zu den anderen Haussäugetieren keinen regelmäßigen Geschlechtszyklus, sondern immer wieder Perioden von 7 bis 10 Tagen, in denen sie empfängnisbereit sind. Diese Perioden werden gefolgt von 1 bis 2 Tagen der Unfruchtbarkeit. Kaninchen sind also fast immer paarungs- und empfängnisbereit. Die Tragezeit dauert 29 bis 33 Tage. Zum Ende der Tragezeit wird das Weibchen unruhig und beginnt, eine Wurfhöhle zu bauen und diese mit ihrem Bauchhaar, das sie sich ausreißt, zu polstern. Als Ersatz für eine Höhle kann man einem Hauskaninchen eine Wurfkiste anbieten.

Die drei bis acht Jungen werden als Nesthocker geboren. Sie haben die Augen noch geschlossen, sind unbehaart, können ihre Körpertemperatur noch nicht alleine aufrechterhalten und nicht laufen. Nach 8 bis 10 Tagen öffnen sich die Augen. Junge Kaninchen werden 4 bis 6 Wochen einmal täglich gesäugt, beginnen aber schon mit etwa 3 Wochen alleine zu fressen. Kaninchen sind mit etwa 10 - 12 Monaten ausgewachsen und erreichen ein durchschnittliches Höchstalter von 8 - 15 Jahren.

Krankheiten
Bei Heimkaninchen sind an Infektionskrankheiten vor allem wichtig die Myxomatose und die RHD, da beide Erreger durch Insekten oder infiziertes Futter oder Einstreu übertragen werden können. Für Züchter interessant ist noch der Kaninchenschnupfen, mit dem die Tiere sich auf Ausstellungen anstecken können. Gegen alle drei Erkrankungen kann man impfen.

Wenn Kaninchen zum Tierarzt müssen, liegt in der Regel neben den bereits erwähnten Infektionskrankheiten eine der folgenden Ursachen vor:

  • Zahnerkrankungen
  • Verdauungsstörungen durch ungeeignetes oder verdorbenes Futter oder durch einzellige Gallengangs- oder Darmparasiten, die Kokzidien
  • Befall des Gehirns mit einzelligen Parasiten, Encephalitozoon cuniculi
  • Befall der äußeren Haut mit Haarlingen oder Räudemilben
  • Erkrankungen durch Hautpilze
  • Überwuchs der Krallen mit Bewegunggstörungen
  • Befall durch Fliegenmaden (sofortiger Tierarztbesuch als Notfall!!)

Als dämmerungsaktive Tiere sind Kaninchen, obwohl sie aus dem Mittelmeerraum stammen, sehr hitzeempfindlich. Bei längeren Transporten im Auto im Sommer kann es unter Umständen zu Todesfällen durch Überhitzung kommen.