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Herausgegeben vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

vom 30 Dezember 1998

Bei den in Deutschland gepflegten Heimtieren stehen zahlenmäßig Süßwasserfische an der Spitze. Die Aquarienfischpflege hat eine lange Tradition. Zum einen liegt das sicher daran, daß Fische selbst in beengten Wohnverhältnissen in einem ngedeuteten Lebensraumausschnitt gepflegt und in Ausnahmefällen auch einmal einige Tage sich selbst überlassen werden können. Dennoch verlangt auch die Haltung von Fischen eine grundlegende Sachkenntnis des Halters über deren artspezifische Bedürfnisse, zumal sie mehr als andere Tiere dem sie umgebenden Medium ausgesetzt sind.
Heute steht für die Aquaristik ein ausreichendes Angebot an technischen Hilfsmitteln und sonstigem Zubehör zur Verfügung. Kein anderer Sektor der Heimtierhaltung kann auf eine derart vielfältige Fachliteratur zurückgreifen. Dennoch sind gravierende Fehler bei der Pflege von Fischen im Aquarium keine Seltenheit. Das vorliegende Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Zierfischen soll helfen, die Pflege der m häufigsten gekauften Fischarten (handelsrelevante Fischarten) leichter beurteilen zu können. Unter Zierfischen werden in diesem Gutachten alle Süßwasserfische verstanden, die als Heimtiere im Sinne des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Heimtieren gehalten werden. Hiernach sind Heimtiere Tiere, die der Mensch insbesondere in seinem Haushalt zu seiner eigenen Freude und als Gefährten hält oder die für diesen Zweck bestimmt sind.
Bewusst wurde davon Abstand genommen, alle Fischarten, die aquaristisch mehr oder weniger relevant sind, insgesamt aufzulisten. Nur die nach beim Handel ermittelten Zahlen am häufigsten gekauften Arten bzw. Formen sind hier um der Praktikabilität Willen aufgenommen worden. Diese Angaben können im Laufe der Zeit ihre Geltung verlieren und müssen deshalb in gewissen Abständen überprüft werden. Bei Fragen zur tiergerechten Pflege anderer Arten muss auf Information in der weiterführenden Fachliteratur zurückgegriffen werden. Dieses Gutachten soll und kann auch deren Lektüre keinesfalls ersetzen.
Die für eine tiergerechte Pflege unabdingbaren Parameter sind im allgemeinen Teil des Gutachtens kurz erläutert und die einzelnen Arten in einer Tabelle mit den erforderlichen Haltungsbedingungen aufgelistet. Die ausgewählten Parameter sind eine Ergänzung des Gesamteindrucks, den das Aquarium bzw. der Gesamtzustand und das Verhalten der Fische als wichtigste Kriterien für die Bewertung einer tiergerechten Haltung bieten.
Haltungsbedingungen jenseits der in diesem Gutachten angegebenen Grenzen sind nicht akzeptabel. Die Angaben in der Tabelle sind Mindestanforderungen, die der Tatsache Rechnung tragen, dass Fische bei gründlicher Eingewöhnung im allgemeinen sehr anpassungsfähig sind und außerdem aus sehr unterschiedlichen Herkunftsgewässern stammen (Wildfänge aus dem Ursprungsland, aus Zuchtbetrieben in anderen Ländern). Anzustreben ist, dass der Zierfischhalter Angaben zur Herkunft seiner Tiere bekommt, um die individuellen Ansprüche besser einschätzen zu können.
Bei der Vergesellschaftung verschiedener Arten ist darauf zu achten, dass die Fische hinsichtlich der Ansprüche an die Wasserqualität und Temperatur sowie des Sozialverhaltens zueinander passen und dass die Einrichtung des Aquariums den Bedürfnissen aller Arten Rechnung trägt.
Die Ausführungen im allgemeinen Teil gelten hinsichtlich der Wasserqualität und der Nahrungfür die dauerhafte Pflege von Zierfischen und für die Hälterung im Zierfischhandel. Im Hinblick auf Beckenabmessungen und die Aquarieneinrichtung sind im Zierfischhandel andere Bedingungen möglich. Auf für den Handel bindende Angaben wird gesondert hingewiesen.
Nur vier Arten sind als Teichfische handelsrelevant (s. "Andere" in der Tabelle). Daher wurde auf ausführliche Angaben zur Teichhaltung von Fischen (insbesondere zur Ausstattung von Teichen) verzichtet. Im Hinblick auf die Wasserqualität gelten dort die Angaben dieses Gutachtens.


I. Allgemeiner Teil

Wasserwerte
Die angegebenen Wasserwerte stellen Grenzen dar, innerhalb derer Fische dauerhaft gepflegt werden können.
Zur Zucht bzw. zur Zuchtvorbereitung oder zu Therapiezwecken sowie zur Eingewöhnung importierter Fische können Abweichungen der angegebenen Temperatur, Härtegrade und pH-Werte erforderlich sein.

  • Temperatur/Temperaturbereich Die Angaben nennen Werte, unter denen die jeweiligen Arten problemlos gehalten werden können. Diese Temperaturbereiche dürfen längerfristig nicht über- oder unterschritten werden. Für die dauerhafte Pflege sind mittlere Werte anzustreben.
  • Härte/Härtebereich Die Angaben in Graden deutscher Gesamthärte (°dGH) beziehen sich auf Definitionen, die unkompliziert zu handhaben sind und sich in der Praxis bewährt haben:
    Härtebereich I: < 15; Härtebereich II: 15 - 30.
    Diese Werte sollten nicht wesentlich (3 °dGH) über- oder unterschritten werden.
    Die Fische werden in der Tabelle zwei Härtebereichen zugeteilt. Wird der Bereich ohne Klammern angegeben, wird ein Toleranzbereich von ± 5° dGH akzeptiert, ist eine Klammer rechts angegeben, so bedeutet dies, dass keine Toleranz nach oben akzeptiert wird. Für die dauerhafte Pflege sind in der Regel mittlere Werte anzustreben.
    Bei sehr weichem Wasser sollte zur Vermeidung eines gefährlichen Säuresturzes ein Mindestsäurebindungsvermögen, dass einer Carbonathärte von mindestens 2° entspricht, sichergestellt werden.
  • pH-Wert Der pH-Wert ist ein für das Halten von Fischen wichtiger Parameter. Die folgende Einteilung der pH-Werte hat sich in der Praxis bewährt:
    I = 5.0 - 7.0; II = 6.0 - 8.0; III = 7.0 - 9.,0.
    Für die dauerhafte Pflege sind mittlere Werte anzustreben.
    Wird der Bereich mit Klammern angegeben, so wird keine Toleranz akzeptiert. Wird der Bereich ohne Klammern angegeben, so wird eine Toleranzbreite von ± 0.5 akzeptiert. Ist nur eine Klammer angegeben, so bedeutet dies, wenn die Klammer links steht, eine Toleranz von + 0.5, wenn die Klammer rechts steht, eine Toleranz von - 0.5.
  • Schadstoffe In einem gut gepflegten Aquarium werden normalerweise Nitratwerte von 100 mg/l nicht überschritten. Höhere Werte sind in der Regel ein Hinweis auf mangelhafte Pflege.Nitrit ist in der Regel nicht nachweisbar. Ein Nitritwert von 1,0 mg/l darf nur kurzfristig erreicht werden.
  • Aquariengröße Besonders problematisch ist die Angabe der Aquariengröße, da sie von vielen Variablen abhängig ist (Versteckmöglichkeiten, Bepflanzung, Vergesellschaftung, Besatzdichte u.ä.).
    Die in der Tabelle gemachten Angaben zur Aquariengröße sind Mindestmaße für ausgewachsene Tiere. Sie gelten nicht für eine vorübergehende Hälterung im Handel oder auf Börsen und ähnlichen Veranstaltungen.
    Die Angaben beziehen sich auf die Kantenlänge handelsüblicher Aquariengrößen (Länge x Breite x Höhe):

      60 cm =   60 x 30 x 30 cm (54 l) oder 60 cm = 60 x 30 x 35 cm (63 l)
      80 cm =   80 x 35 x 40 cm (112 l)
    100 cm = 100 x 40 x 50 cm (200 l)
    120 cm = 120 x 40 x 50 cm (240 l) oder 120 cm = 120 x 50 x 50 cm (300 l)
    150 cm = 150 x 50 x 50 cm (375 l).

    Je größer das Wasservolumen eines Aquariums ist, desto stabiler ist die Wasserqualität, daher sollte das Aquarienvolumen für die dauerhafte Haltung 60 l nicht unterschreiten. 54 l Aquariumvolumen sind als Mindestmaß für die dauerhafte Haltung anzusehen.
    Die in der Tabelle gemachten Angaben zur Kantenlänge sind Richtwerte, unter denen die jeweiligen Arten dauerhaft gehalten werden können. Diese Maße dürfen nicht wesentlich unterschritten werden. Zur Zucht bzw. zur Zuchtvorbereitung, für Ausstellungen und Wettbewerbe, sowie für die Pflege besonders kleiner Arten sind abweichende Behältergrößen zulässig.

Aquarieneinrichtung
Die Einrichtung der Aquarien muss sich an den Bedürfnissen der zu pflegenden Arten orientieren.
Zu den wichtigsten Mindestausstattungen gehören:

  • eine den artspezifischen Bewegungsbedürfnissen entsprechende Raumgröße;
  • technische Einrichtungen zur Sicherung der Wasserqualität (ggf. Filter, Heizung, Lüftung);
  • Versteck- und Deckungsmöglichkeit.

Ein Aquarium für die dauerhafte Pflege ist so einzurichten, dass eine Sicht durch den Boden nicht möglich ist.

 

Besatzdichte
Verbindliche Angaben zur Besatzdichte sind nicht sinnvoll, da sie von zu vielen Variablen abhängen und deshalb zu stark vereinfacht werden müssten. Wegen der Gefahr von Missverständnissen wären sie unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes eher kontraproduktiv als nützlich.
Beispielsweise wechseln sich in Abhängigkeit von Alter (Jungfische, subadulte und adulte Exemplare), von spezifischen biologischen Aktivitätsphasen (verpaarte/unverpaarte, territoriale/nicht-territoriale, balz-, fortpflanzungs-, brutpflegeaktive Exemplare) periodisch immer wieder Phasen mit größerem und erheblich geringerem Raumbedarf ab.
Ferner sind für die zulässige Besatzdichte nicht nur die Einrichtung, das Zahlenverhältnis der Geschlechter, sondern auch die Abmessung des Aquariums (Oberfläche oder Grundfläche, Höhe) von entscheidender Bedeutung. In einem kleineren, gut gegliederten Aquarium kann die Besatzdichte durchaus größer sein als in einem weit größeren, aber weitgehend leeren Aquarium.

 

Sozialverhalten
Jede Fischart in einem Aquarium sollte ihrer natürlichen Sozialstruktur entsprechend gehalten werden. Dabei sind folgende Unterscheidungen zu berücksichtigen:

  • Schwarm: Fische, die sich in einer größeren Gemeinschaft von Artgenossen in ihrem Lebensraum bewegen. Daraus ergibt sich eine höhere Mindestanzahl der gepflegten Tiere. Im allgemeinen sollen mindestens ehn Fische dieser Art gepflegt werden.
  • Gesellig: Fische, die Artgenossen benötigen, um ihr arttypisches Verhalten zeigen zu können. Im allgemeinen sollen mindestens fünf Fische dieser Art gepflegt werden.
  • Harem: Pflege von einem Männchen und mehreren Weibchen.
  • Paar: Fische, die vorübergehend oder zeitweise in Paarbildung (ein Männchen, ein Weibchen) leben.
  • Einzelgänger: Arten, die bei üblichen Beckengrößen nur einzeln gehalten werden können.


Gesundheitsvorsorge und Ernährung der Aquarienfische
Fische sind dem sie umgebenden Medium mehr ausgesetzt als jede andere Wirbeltiergruppe. Das hängt einmal mit dessen physikalisch-chemischen Eigenschaften zusammen, zum anderen mit ihrem Körperbau. Chemische Reize wirken sich deshalb intensiv aus. Parasiten und Krankheitserreger finden in der räumlichen Begrenzung eines Aquariums schnell ideale Bedingungen für die Ausbreitung. Daher ist das Wohlbefinden von Aquarienfischen möglichst täglich zu kontrollieren. Ein teilweiser Wasserwechsel soll regelmäßig vorgenommen werden.
Fische dürfen nicht plötzlichen Veränderungen der Wasserwerte ausgesetzt werden. So müssen z.B. beim Umsetzen der Fische von einem Aquarium in das andere die Wasserwerte allmählich aneinander angeglichen werden.
Die Wasserparameter Nitrit- und Nitratgehalt sowie der pH-Wert sollten in regelmäßigen Abständen (mindestens 14-tägig) kontrolliert werden.
Die in diesem Gutachten behandelten Fische sind weitgehend omnivor, d. h. Allesfresser. Für sie stehen heute eine breite Palette an Fertigfutter und Frostfuttersorten, verschiedenstes gefriergetrocknetes Futter und zahlreiche Lebendfutterorganismen zur Verfügung. Für eine allen Anforderungen genügende Ernährung sind Fische mit verschiedenen Futtersorten zu füttern.
Erfahrungsgemäß werden Fische im Aquarium eher übermäßig gefüttert. In einem gut gepflegten Aquarium können Fische gelegentlich wenige Tage ohne Futterzugaben auskommen.